Nächsten Monat wird mich die Krankenkasse wieder zur Vertrauensärztin vorladen. Wie sie mir schon beim letzten Mal angekündigt hatte, sieht sie vor, meinen Krankenstand zu beenden, weil sie mich
für arbeitsfähig hält. Auch mein Psychiater sagte mir im letzten Gespräch: "Sie werden irgendwann keine Wahl haben und arbeiten müssen." Dieser Satz liegt mir wie ein Stein im Magen.
Schon als Kleinkind boykottierte ich den Kindergarten. Für mich war das die reinste Zeitverschwendung. Ich brauchte die als unsinnig empfundene Animation nicht und brachte mir Zuhause selber
Zählen und Rechnen bei, wenn ich nicht gerade kreativ beschäftigt war. Nach meinem ersten Grundschuljahr freute ich mich sehr erleichtert über meine Ferien. Die gesamte Schulzeit erlebte ich als
notwendiges Übel und eher belastend. Ich hangelte mich von Wochenende zu Wochenende und fertigte Abstrichkalender vor größeren Ferien an. Oft sorgte mein Körper mit Krankheiten für schulfreie
Zeit. Es war nicht der Leistungsdruck, der mir so zusetzte. Es nervte mich, Dinge lernen zu müssen, die mich weder interessierten noch sinnvoll erschienen. Ich hätte wirklich Besseres zu tun
gehabt. Außerdem fiel mir die Integration in die Gruppen schwer. Ich war häufig Mobbingopfer.
Nach dem Abitur hatte ich erstmal keine Idee, was ich machen wollte. Die Zeit der Berufswahl war äußerst quälend und mit Versagensgefühlen erfüllt. Das Sozialarbeitsstudium war ganz okay.
Schließlich hatte ich mir diesen Weg selbst ausgesucht und fand die meisten Unterrichte (außer Recht) interessant. Dann ging es hinein in die Arbeitswelt. Wieder empfand ich das Arbeitenmüssen
als notwendiges Übel. Meine Erfahrungen in der beruflichen Welt waren größtenteils negativ. Sonntagabends kroch meine Laune in den Keller. Morgens beim Aufwachen sehnte ich mir den Feierabend
herbei. Für meine Interessen hatte ich bald keine Kraft mehr. Meine Kreativität trocknete ein. Irgendwann hatte ich mich selbst völlig verloren.
Nach 4 Jahren Arbeitsunfähigkeit habe ich mich von all dem recht gut erholt, auch wenn noch offene Baustellen vorhanden sind. Bei dem Gedanken, nun wieder zurück in dieses Mühlrad zu steigen,
wieder "mehr vom Selben" zu machen, dreht sich mir der Magen um. Ich lese die Stellenanzeigen durch und fühle mich plötzlich nur noch ganz entfernt. Mir wird schwindelig, mein Rücken verspannt
sich, Selbtshass steigt auf - und Angst. Angst, dass ich wieder dort lande, wo ich vor 4 Jahren war. Angst vor Mobbing, Grenzüberschreitung, Überforderung, Langeweile, übermäßiger Kritik und
Selbstverlust. Und dann kommt die Wut. Warum muss ich das machen? Warum kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen? Weil ich leider ein Einkommen brauche.
Tatsächlich gibt es die Ergophobie - Angst vor Arbeit. Nun kann ich versuchen, das durchzusetzen und ewig Geld vom Sozialstaat beziehen. Dabei will ich doch frei sein! Das heißt für mich, wählen
zu dürfen, was ich mache / arbeite, und finanziell unabhängig zu sein. Alles andere würde bedeuten, dass ich in der Opferrolle stecken bleibe, statt Verantwortung für mein Leben zu übernehmen.
Leider habe ich absolut keine Idee, was die Lösung für dieses Dilemma sein könnte. Eine neue Ausbildung habe ich schon versucht. Ich wollte es wirklich! Und das alles hat nichts mit Faulheit zu
tun! Meine Tage sind ziemlich ausgefüllt. Langeweile kenne ich nicht. Ich erledige den Haushalt, arbeite im Garten und im Stall. Dann beschäftige ich mein Pferd. Ich taste mich wieder an meine
Kreativität heran. Ich lese Bücher und Artikel im Internet über Themen, die mich interessieren (zu viele, um sie hier alle aufzuzählen). Ich glaube, ich wiederhole mich.
Immer wieder lese ich von Menschen, die "ihren Traum leben", die ausgestiegen sind aus dem Hamsterrad und aus einer zunächst verrückt erscheinenden Idee ihr Einkommen beziehen. Freunde sagen mir
dann: "Naja, das ist aber sehr unwahrscheinlich. Da solltest du realistisch bleiben. Soll ich auch mal nach Arbeit für dich schauen?" Irgendwie hätte ich das Gefühl, verloren zu haben und mich
selbst zu verraten, wenn ich wieder in ein Angestelltenverhältnis schlüpfen würde. Klingt vielleicht etwas dramatisch. Ich weiß auch nicht. Ich weiß nur, dass mir die Zukunfts- und Existenzsorgen
wieder mal meine ganze Energie rauben, und dass ich beim bloßen Gedanken ans Arbeitengehen Panik kriege. "Da musst du dann halt durch." Wieder eine Grenzüberschreitung. Wieder nicht auf mich
hören und so tun, als wäre nichts. Weil alle es so machen. Welchen Sinn haben meine Gefühle, wenn ich sie ignoriere? Ja, Gefühle können auch trügerische Wegweiser sein. Ich bin nicht doof. Aber
es ist ja nicht so, als wäre ich in meinem ganzen Leben nur einen Tag arbeiten gegangen und würde daraus meine ganze Erfahrung beziehen. Ich habe verschiedene Möglichkeiten ausprobiert. Nichts
davon hat für mich funktioniert.
"Bringt Ihnen die Therapie denn überhaupt was?" Oh, Entschuldigung! Meine Therapeutin hat es sich nicht zum Ziel gesetzt, mich normpassend zurecht zu stutzen. Sie nimmt mich ernst mit meinen
Gefühlen und Bedürfnissen. Ernster als ich. Und sie ermutigt mich dazu, meinen eigenen Weg zu finden. Nur scheint irgend etwas in mir noch zu blockieren. Ist meine Perspektive falsch? Liegt es an
meinen Glaubenssätzen? Irgendwo hakt's. Und die Zeit sitzt mir im Nacken und verfliegt so verdammt schnell. Das ist nicht gerade hilfreich. Welche Verdienstmöglichkeiten gibt es denn noch? Und
was davon passt zu mir und traue ich mir zu? Warum stehe ich mir dermaßen selbst im Weg? Es ist zum Mäusemelken!
Liebes Universum! Ich bin offen für deine Vorschläge! Bitte schick mir eine für mich passende Lösung für mein monatliches Einkommen! Jetzt!
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