
Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass man in schlimme Träume eingreifen kann, um sie zum Guten zu wenden. Meistens wacht man ja darüber auf, so dass man dann den Traum einfach nach eigenen
Vorstellungen zu Ende träumen kann. Das funktioniert aber auch im Nachhinein, indem man sich den Traum noch einmal vorstellt und anschließend sein Happy End einfügt. Oder man verändert bereits
vor dem Moment, in dem man aufgewacht ist, belastende Schlüsselsequenzen. Je nachdem, wie heftig der Traum war, muss man sich vielleicht manchmal erst eine Weile erholen. Ist die Situation zu
schlimm, reicht es, sich die gute Wendung vorzustellen. Man muss sich ja nicht unnötig quälen.
Ich habe dies schon ein paar Mal ausprobiert, und es funktioniert! Wer sich nun fragt, wozu das gut sein soll, dem möchte ich sagen, dass es tatsächlich auf das Unterbewusstsein einwirkt und die
Belastung lindert. Alpträume können einen ganz schön fertig machen. Von wegen Träume sind Schäume! Erinnerungen, Befürchtungen und Ängste besuchen uns nachts, um uns bei ihrer Verarbeitung zu
unterstützen oder einfach nur aufzuzeigen, welche Themen nach Heilung drängen. In der Gestalttherapie wird beispielsweise gerne mit Träumen gearbeitet. Es gibt jedoch auch andere Therapieansätze,
die sich mit Traumarbeit beschäftigen.
Letzte Nacht durfte ich es mal wieder ausprobieren. Nach allem, was wir in unserer alten Wohnung mit unserer Vermieterin erlebt haben, sind wir in unserem aktuellen Heim zur Ruhe gekommen und
dürfen uns endlich wieder zu Hause fühlen. Im Traum kamen zwei junge Frauen zu uns und hantierten im Garten herum. Eine sagte zu mir: "Sie wissen, dass Sie aus dem Haus raus müssen?" Ich war vor
Schock gelähmt und brachte kein Wort heraus. "Wir gehören nämlich zur Familie und sind Neider." Das bedeutete in meinem Traum, dass die zwei Damen um das Haus stritten. "Sie können froh sein,
wenn Sie dieses Jahr noch nicht gehen müssen! Wir arbeiten jetzt schonmal im Garten." Dann fing sie an, mir die rechtliche Lage zu erklären, und ich verstand überhaupt nichts. "Moment", sagte ich
komplett verwirrt, "ich hole mal meinen Mann." Der regte sich natürlich tierisch auf. Als die zwei Frauen weg waren, fiel uns auf, dass sie auch im Haus gewesen waren und einige Möbel zerstört
und überall Dreck verteilt hatten. Wir waren völlig aufgelöst. Ich wachte im Traum auf und sagte zu Jochen: "Gott sei Dank, ich hab das nur geträumt!" Doch er sagte: "Nein, leider nicht. Das ist
Wirklichkeit." An dieser Stelle erwachte ich dann tatsächlich und war ziemlich aufgewühlt. Im Halbschlaf noch zum Teil im Traum verwickelt, dachte ich mir: Das lasse ich nicht so stehen! Wenn ich
schon mal halbwegs bei Bewusstsein bin, greife ich da jetzt ein!
Ich sagte zu meinem Mann, dass ich unseren Vermieter anrufen würde, um die Angelegenheit zu klären. Der fiel aus allen Wolken und wusste von nichts. Als die zwei Frauen wieder auftauchten, kam
unser Vermieter hinzu, um sie zur Rede zu stellen. "Ich bin hier der Eigentümer und bestimme, was mit dem Haus passiert! Hier muss niemand raus! Ihr habt keine Ansprüche auf das Haus." Um die
Sache perfekt zu machen, wollte ich den beiden zeigen, dass man mich nicht so leicht fertig machen kann. "Ihr könnt von mir aus Neider sein, aber dann beneidet euch woanders! Ihr habt hier
lebenslanges Hausverbot. Wir lassen uns nicht terrorisieren! Die Blumen lasst ihr in Ruh! Und hier habe ich eine Liste von den von euch verursachten Schäden aufgestellt. Ich erwarte, dass ihr das
bezahlt." Betreten haben sie sich dann vom Acker gemacht, und wir hatten wieder unsere Ruhe.
Normalerweise hängt mir ein solcher Traum den ganzen Tag nach. Jetzt, da ich eingegriffen und mich verteidigt habe, statt hilflos in der Angst zu bleiben, ist der Traum mit einem guten Gefühl
abgehakt. Ich empfinde sogar ein wenig Stolz, weil ich finde, dass ich das gut geregelt habe.
Ja, es war nur ein Traum. Und nicht mal einer von der richtig schlimmen Sorte. Bei denen dürfte es schwerer fallen, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu den eigenen Gunsten einzugreifen. Aber im
Traum ist alles möglich. Solange wir schlafen, sind wir den Bildern meistens ausgeliefert. Doch im Anschluss sind wir die Regisseure. Ich finde es auf jeden Fall hilfreich. Obwohl mich der Traum
an die schreckliche Zeit mit unserer alten Vermieterin erinnert und all die verzweifelten Gefühle wieder wachgerüttelt hat, fühle ich mich jetzt in keinster Weise davon belastet. Im Sinne des
Mentaltrainings bin ich davon überzeugt, dass sich dies mit der Zeit und Übung in die Realität umsetzen lässt.
Bei heftigeren Träumen wie den vor Kurzem von Verfolgung, Erschießung und Krieg, wo ich um mein Leben gerannt bin und zwei Kinder retten musste, während ich mitten durch einen Nazi-Urlaubsort
lief, sind wohl eher tiefere Schichten betroffen. Aber auch hier ist das Tagträumen von einem guten Ende hilfreich weil heilsam. Ich bin kurz vor dem Ende aufgewacht und hatte große Zweifel,
lebend da raus zu kommen. Mir also vorzustellen, dass ich es auf die andere Seite in die Sicherheit schaffe, Essen und Kleidung für mich und die Kinder bekomme, während sich diese schreckliche
Welt hinter dem Abgrund in Nichts auflöst, weil das im Traum möglich ist, hat mir gut getan. Auch wenn alles, was davor war, natürlich nicht vergessen ist. Susanne Hühn stellt in ihren Büchern
über das innere Kind, von denen ich bereits sprach, eine Übung vor, die "Das innere Kind retten" heißt. Dabei geht man in eine schlimme Situation, die man als Kind erlebt hat, und stellt sich
dann vor, wie man selbst als Erwachsener dazu kommt und das Kind (sich selbst) rettet. Das ist ähnlich, handelt eben nur von echt erlebten Momenten. Um diese Übung allein durchführen zu können,
sollte man allerdings stabil sein. Andernfalls würde ich das eher unter therapeutischer Aufsicht empfehlen.
Solche mentalen Übungen heben das Erfahrene nicht auf. Sie machen nicht "alles wieder gut". Und man spürt die Wirkung nicht sofort und mag sich fragen, was das soll. Aber ich kann aus eigener
Erfahrung sagen, dass es wirkt und die Wunden Stück für Stück heilt. Nicht heute, nicht morgen. Doch irgendwann merkt man, dass der Schmerz weniger tief ist.
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