
Seit einigen Wochen stecke ich in der Therapie fest. Ich habe Widerstände und Blockaden entwickelt, die meine Heilung stagnieren lassen. Mich erreicht nichts mehr. Ich könnte verzweifeln und
denke in der letzten Zeit häufig ans Aufgeben.
So langsam beginne ich jedoch, meine derzeitige Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich befinde mich definitiv in einer Krise - gar keine Frage. Aber ist es wirklich so, dass
sich nichts mehr bewegt? Ich erlange mehr und mehr das Gefühl, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Etwas in mir will an die Oberfläche. Und dieses Etwas braucht eine andere Art von Hilfe als
die bisherige, weshalb diese nicht mehr greift. Dadurch entsteht der Eindruck, in einer Blockade festzustecken. Bei einer Geburt wird man auch durch einen engen Kanal gepresst, und
zwischenzeitlich mag es so erscheinen, als ob es nicht mehr weiterginge.
Ich verfüge über eine enorme Intuition, auf die ich mich 100%ig verlassen könnte, wenn ich mir denn vertrauen würde. Leider mache ich immer wieder die Erfahrung, dass mir nicht geglaubt wird und
man mich für verrückt erklärt. Was mein Pferd betrifft, könnte ich 1000 Beispiele aufzählen, bei denen am Ende meine Intuition recht hatte. Und zwar ausnahmslos. Sogar entgegen von
Expertenmeinungen. Wenn es um mich selbst geht, bedient sich meine Intuition meines Körpers, um mich zu überzeugen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich auf chemische wie auf pflanzliche
Psychopharmaka so heftig reagiere. Meine Seele will das nicht. Sie will endlich sprechen dürfen und angehört werden. Deshalb lehnt mein ganzes Sein jegliche Art von weiterer Betäubung und
Überdeckung ab. Und deshalb sind auch rein lösungsorientierte Hilfen im Hier und Jetzt in dieser Phase fehl am Platz. Ich brauche Traumatherapie!
Mir dies eingestehen zu können, dabei hat mir sicherlich meine aktuelle Therapeutin geholfen. Es würde / wird mir sehr schwer fallen, die Arbeit mit ihr zu beenden. Denn es ist nicht so, dass sie
meine Not nicht gesehen und anerkannt hätte. Oft sogar mehr als ich. Sie war abgesehen von meiner Hausärztin damals meine erste "wissende Zeugin". Aber sie hat nunmal keine spezifische
Traumatherapieausbildung.
Was das nun alles bedeutet, erklärt die 2010 verstorbene Psychologin und Kindheitsforscherin Alice Miller in den Artikeln auf ihrer Homepage besser als ich. Ihre Ausführungen sprechen mich zutiefst an und helfen mir dabei, mehr und mehr zu begreifen, dass meine Zeit in meinem
Elternhaus tatsächlich in die Trauma-Ecke gehört und dass alles, woran ich heute leide, die Folge davon ist. Besonders wichtig: Ich habe meine Lebensprobleme nicht selbst verschuldet. Es liegt
zwar in meiner Verantwortung, für Heilung zu sorgen, aber es ist nicht meine Schuld, dass ich vor gewissen Dingen Angst habe, erschöpft bin und meine Wahrnehmung mir manchmal einen Streich
spielt. In einem Artikel schreibt sie deshalb, dass Empfehlungen wie Positives Denken, die buddhistische Lehre und dergleichen ungeeignet sind, weil sie an die kindlichen Schuldgefühle anknüpfen
und lebenswichtige Emotionen wie Wut und Hass verdammen. Nach dem Motto: "Es liegt an dir, was du aus deinem Leben machst und mit dem, was dir geschehen ist. Dass es dir schlecht geht, zeigt,
dass du nicht loslassen und dich positiven Dingen zuwenden kannst." Auf den ersten Blick wirkt dieser Satz wahr. Ein Mensch, der an Traumafolgestörungen leidet, kann damit aber nichts anfangen,
solange die Traumata nicht hinreichend bearbeitet sind. Jetzt verstehe ich auch, warum ich auf solche Sprüche so aggressiv reagiere. Das liegt nicht daran, dass ich nichts ändern will. Ich fühle
mich dann nur einfach komplett missverstanden. Deshalb käme auch eine rein kognitive Verhaltenstherapie für mich nur in Kombination oder ganz zum Schluss meines Heilungsweges in Frage.
Ich möchte insbesondere folgende Artikel empfehlen:
- Wir können die Ursache für unser Leiden finden
- Der längste Weg
- Die befreiende Erfahrung der schmerzhaften Wahrheit
Manchmal wundere ich mich über mich selbst. Was ich hier schreibe, sind eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Aber sie waren bisher nur theoretisch in meinem Kopf. Seit ein paar Tagen scheinen sie
sich mit Leben zu füllen und aus dem Kopf in den Bauch zu sickern. Ich fühle mich so seltsam ruhig.
Jetzt muss ich "nur" noch eine geeignete Therapeutin finden, im Lotto gewinnen oder meine Krankenkasse bedrohen (belgische Krankenkassen zahlen keine Psychotherapieform) und an meiner Intuition
festhalten. Wahrscheinlich wird der eine oder andere mir wieder etwas anderes erzählen. Vielleicht sollte ich mir einfach vorstellen, es ginge um mein Pferd.
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Brigitte (Sonntag, 29 März 2020 22:34)
Bin vor ein paar Tagen auf den Sohn von Alice Miller gestoßen. Er hat ein Buch rausgebracht, das leider eine ganze andere Seite von Alice Miller aufzeigt. https://www.tagesspiegel.de/kultur/martin-millers-buch-ueber-seine-mutter-alice-die-maske-der-kinderrechtlerin/8793762.html
Yvonne (Montag, 30 März 2020 09:01)
Hallo, Brigitte!
ja, ich habe auch darüber gelesen, dass Alice Miller leider eine ziemlich schlimme Mutter war. Das schmälert für mich dennoch nicht ihr Werk, auch wenn es dadurch unglaubwürdig erscheinen mag. Sie hatte es wohl leider nicht geschafft, ihre eigenen Wunden zu heilen.